Antwort #22 am: 08. Juni 2012, 22:00:46
Tja, da frage ich mich doch was hätte George Orwell geschrieben, wenn er die heutigen technischen Möglichkeiten gekannt hätte? 1984 ist lange vorbei, danach wurde das Internet "erfunden" und damit die Verfügbarkeit von Daten und die mögliche Manipulation der User ins Unermessliche potenziert.
Damit einhergehend ist jedoch noch eine andere - aus meiner Sicht wesentlich bedenklichere - Entwicklung. Datenexhibitionismus ist keine Einzelerscheinung mehr, das wurde spätestens mit sozialen Netzwerken sozusagen Volkssport. Begonnen hat das Ganze jedoch schon viel früher. Ein Beispiel war die "geschlossene Umgebung" in AOL. Und schon damals wurde die Verknüpfung von Userdaten mit Kaufverhalten umgesetzt, als AOL die PayPal-Karte für seine Mitglieder eingeführt hat.
Und da gebe ich vsell absolut Recht: Wer freiwillig alles preis gibt, was es über sein Leben, sein Kauf- und Saufverhalten, seine sonstigen Vorlieben und Träume zu wissen gibt, der hat kein Mitleid verdient, sondern Prügel. (Ja ich weiß, das ist keine antiautoritäre Methode, aber die Prügel gibts ja sowieso - wenn auch meist nur virtuell oder vom Personalchef bei der nächsten Bewerbung...)
Bemerkenswert an der aktuellen Diskussion ist doch nur, dass es öffentlich wird dass an der Nutzung dieser Daten geforscht wird und Interesse durch ein "Institut zur Bonitätsbewertung" besteht. Die Tatsache an sich dürfte jeden der 2 und 2 zusammenzählen kann weniger überraschen.
Nicht umsonst ist das Geschäftsmodell der "digitalen Beerdigung" eines mit unabsehbarem Wachstumspotential. Auch das wird der Rationalisierung der Datenbestände dienen, da das Beseitigen von "Karteileichen" verhindert, dass unnötige Ressourcen für z.B. Werbemails an nicht mehr "kauffähige" Kunden verschwendet werden.
Und wer glaubt, dass sich Geheimdienste oder die organisierte Kriminalität an Datenschutzregelungen halten, der glaubt auch an den Osterhasen.
Selbst wenn also einzelne Institutionen an der Verwendung der wohlgemerkt öffentlich zugänglichen Daten gehindert werden könnten, so werden diese mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von noch weniger vertrauenswürdiger Seite bis zum letzten Byte ausgelutscht werden. Allen voran logischerweise von denen, denen die Daten freigiebig zur Verfügung gestellt werden.
Was aber folgt daraus für den Shopbetreiber? Nun, wer Daten aus einem Shop stiehlt ist ein Verbrecher. Und ohne kriminelle Energie kommt man an die Daten eines Shops nicht heran, es sei denn der Hoster wäre vollkommen inkompetent oder der eigene Server wird nicht ordnungsgemäß konfiguriert (Fehler bei der Shopinstallation mal außen vor gelassen). Die Nutzung kriminell erworbener Daten ist jedoch nicht Gegenstand der aktuellen Diskussion, sondern lediglich die Verknüpfung der öffentlich verfügbaren Daten mit dem Ziel eines Profils zur Bewertung der Kreditwürdigkeit.
Und da muss sich dann jede/r selbst fragen, wie viele Daten sie/er bereits verbreitet hat. Wer sich da in der Vergangenheit gedankenlos zu weit aus dem digitalen Fenster gelehnt hat, sollte tatsächlich mal über die Möglichkeiten einer digitalen Beerdigung nachdenken.