@ guensi und fred
Dass es woanders noch schlimmer ist, oder es die perfekte Demokratie nicht gibt, kann wohl kaum die Legitimation dafür sein, tatenlos zuzusehen, wie die Machtverhältnisse in unserer Region durch den Erlass entsprechender Gesetze manipuliert werden sollen - von denen, die ganz genau wissen, dass sie sonst abk*cken, bei den nächsten Wahlen. Denn genau darum (und nur darum!) geht es: Um die Absicherung von Macht mit allen Mitteln, und das sowohl in der Politik, als auch in der Wirtschaft.
Bin ich wirklich die einzige (nö, bin ich nicht), der zwischen dem Vorgehen damals und den heutigen Regulierungs- und Zensuranstrengungen eine verhängnisvolle Ähnlichkeit in der
Systematik auffällt? Diese Systematik ist umso schärfer zu verurteilen, als sie vordergründig / angeblich etwas "Gutes" will, um genügend Befürwortung im Volk zu erreichen - für etwas, das ihm in Wahrheit den Boden unter den Füßen entziehen wird.
Dieses systematisch angewandte Prinzip funktioniert wie folgt: man nehme ein Thema, das den Adressaten
emotional stark berührt. Das sind in der heutigen Zeit und westlichen Welt leider nicht Themen wie "Freiheit", "Frieden", "Naturschutz" oder "Selbstbestimmung", sondern Angst besetzte Themen wie "Arbeitslosigkeit", "Armut", "Kriminalität", "Terrorismus". Zeitgleich suche und finde man Minderheiten, die sich als personifizierte Feindbilder eignen: Ausländer, Kinderschänder, Attentäter, Schwerkriminelle, und immer natürlich auch die politische Gegenpartei.
Im zweiten Schritt verkünde man, dass man entschlossen ist, scharf gegen diese Bedrohung vorzugehen. Zu diesem Zweck sei es unumgänglich, neue Gesetze zu beschließen, zum Schutz der Bevölkerung. Dass diese neuen Gesetze in Wahrheit Entmündigung und Freiheitsberaubung für ALLE bedeuten, holen nur die durch, die bereit sind, sich mit der Thematik eingehender zu beschäftigen. Die breite Masse hingegen wird nachplappern, wie wichtig es sei, sich gegen Ausländer, Kinderschänder und Attentäter zu schützen.
Achtung: in der Zwischenzeit unternehme man NICHTS, was diese Bedrohungen tatsächlich reduzieren würde - etwa, bestehende Gesetze besser zu nutzen - denn das wäre im Kampf um den eigenen Machterhalt ja kontraproduktiv.
Diese perfide und zutiefst menschenfeindliche Manipulationssystematik möchte ich anhand eines Beispiels, das wir alle gut kennen, und das nicht so abstrakt ist wie die Themen "Vorratsdatenspeicherung" oder "Meinungsfreiheit vs. Zensur", mal demonstrieren:
eBay sagt bzw. schreibt:"Antworten Sie nicht auf diese E-Mail, wenn Ihnen vorgeschlagen wird die Transaktion außerhalb von eBay abzuschließen. Ein solches Angebot verstößt gegen die eBay-Grundsätze und könnte betrügerisch sein. Im Betrugsfall können Sie dann auch weder den PayPal- noch den eBay Standard-Käuferschutz in Anspruch nehmen."
Die Wahrheit ist:1. eBay ist nicht daran interessiert, den zweifellos existierenden 1-2% Betrügern auf seiner platten Form das Handwerk zu legen, solange sie kräftig an deren Machenschaften mitverdienen.
2. Andererseits ist zuviel Vertrauen zwischen Verkäufern und Käufern geschäftsschädigend, weil man an direkten Geschäften zwischen den Beteiligten nichts verdient. Also schüre man a) die Angst vor Betrügereien, erlasse b) entsprechende Grundsätze, und verhindere c) künftig die direkte, unbeaufsichtigte Kommunikation zwischen Mitgliedern oder andere vertrauenbildende Maßnahmen.
3. Die Alternative dazu, nämlich den eigenen Marktplatz attraktiver, sympathischer und sicherer zu machen, verwerfe man, weil solche Maßnahmen nur mittel- u. langfristig etwas bringen, nicht aber die kurzfristigen Profit- und Marktanteilsinteressen befriedigen.
Ist die Systematik klar geworden? Hah, fast hätte ich den wichtigsten Punkt vergessen:
4. Mitglieder, die sich öffentlich und/oder gegenüber Medien negativ über eBay oder PayPal äußern, müssen mit Sperrung ihres Kontos rechnen.
Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich diesen neuen Passus in den
PayPal-Nutzungsbedingungen las:
"4.5 Keine abwertende Darstellung von PayPal als Zahlungsmethode. Wenn Sie PayPal als Zahlungsmethode anbieten, dürfen Sie PayPal gegenüber Ihren Kunden
oder in anderen Veröffentlichungen nicht fehlerhaft darstellen oder in Misskredit bringen."
Das sind
Zensurbestrebungen ersten Ranges, in Verbindung mit Missbrauch der jeweiligen Quasi-Monopolstellung. Dass Anbieter ihre Kunden rauswerfen, wenn sie deren Angebot "missbrauchen", ist das eine - dass ein Unternehmen jedoch seinen Kunden den Mund verbieten will, ist eine neue Qualität von Diktaturbestrebungen - durch die Wirtschaft, die der Politik vormacht, wie es zu gehen hat.
In Ungarn gibt es bereits erste
Opfer des neuen Mediengesetzes: ein Radiosender wurde vom selbst ernannten ungarischen "Medienrat" abgemahnt, weil er einen umstrittenen, angeblich jugendgefährdenden Rap-Oldie spielte.
Genau: unter dem Deckmäntelchen von Jugendschutz lässt sich ja auch in Deutschland trefflich Gesetzesverbiegung betreiben. Womit wir wieder bei der
"Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" wären.
[...]
Bald wird sich auch der erste Zivilrichter finden der eine Meinungsäußerung über eine Firma als unzulässige Diffamierung einstuft und anordnet ganze Websites auf die Sperrliste zu setzen. Der Damm bricht. Und jeder Hinz und Kunz kann Sperrverfügungen erwirken gegen Websites die ihm nicht genehm sind.
[...]
So ist es, und "bald" ist früher, als wir denken. Websites werden gesperrt, kritische Sendungen wie "Monitor" oder "Panorama" abgesetzt, investigativer Journalismus ingesamt als "staats- oder marktfeindlich" unter Strafe gestellt. Im nächsten Schritt wird das Wahlrecht "modifiziert" und die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland "aktualisiert". Den übernächsten Schritt erspare ich uns.
Wieder einmal scheint sich der Satz zu bewahrheiten, dass man erst dann Dinge zu schätzen weiss, wenn man sie verloren hat.
Greets,
Chris